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Beschluss der EU-Kommission zur Sanierungsklausel nichtig (EuGH)

Der EuGH hat den Beschluss 2011/527/EU der Europäischen Kommission v. 26.01.2011 über die staatliche Beihilfe Deutschlands C 7/10 (ex CP 250/09 und NN 5/10) "KStG, Sanierungsklausel" für nichtig erklärt (EuGH, Urteil v. 28.06.2018 - C-203/16 P).

Hintergrund:

Die Sanierungsklausel in § 8c Abs. 1a KStG wurde im Juni 2009 durch das Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung eingefügt. Danach darf eine Körperschaft auch im Fall eines schädlichen Beteiligungserwerbs im Sinne von § 8c Abs. 1 KStG unter folgenden Voraussetzungen einen Verlustvortrag vornehmen:

  • Der Beteiligungserwerb erfolgt zum Zweck der Sanierung der Körperschaft,
  • das Unternehmen ist zum Zeitpunkt des Erwerbs zahlungsunfähig oder überschuldet oder von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung bedroht,
  • innerhalb von fünf Jahren nach dem Beteiligungserwerb erfolgt kein Branchenwechsel, und
  • das Unternehmen hatte zum Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs den Geschäftsbetrieb nicht eingestellt.


​​Die Sanierungsklausel trat wie die Regel des Verfalls von Verlusten am 10.07.2009 in Kraft und gilt rückwirkend ab dem 01.01.2008. Aufgrund der Entscheidung der EU-Kommission wurde die Sanierungsklausel allerdings mit dem EU-Beitreibungsgesetz v. 13.12.2011 durch § 34 Abs. 7c Sätze 3 und 4 KStG a.F. (aktuell § 34 Abs. 6 Satz 2 KStG) suspendiert.

Sachverhalt und Verfahrensgang: Die EU-Kommission sieht die Sanierungsklausel als eine rechtswidrige Beihilfe an und forderte die Bundesrepublik Deutschland auf, alle gewährten Beihilfen von den Begünstigten zurückzufordern (EU-Kommission, Beschluss v. 26.01.2011 - 2011/527/EU). Hiergegen erhob u.a. die Heitkamp BauHolding GmbH (HBH) im Juni 2011 Klage, die das Gericht der Europäischen Union (EuG) als unbegründet verwarf (EuG, Urteil v. 04.02.2016 - T-287/11 "Heitkamp BauHolding/Kommission"). Im vorliegenden Verfahren, dem die Bundesrepublik beigetreten ist, begehrt der Insolvenzverwalter der HBH die Aufhebung des EuG-Urteils, soweit das Gericht darin die Klage von HBH auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission vom 26.01.2011 über die staatliche Beihilfe Deutschlands C 7/10 (ex CP 250/09 und NN 5/10) als unbegründet abgewiesen hat, sowie die Nichtigerklärung dieses Beschlusses.

Hierzu führten die Richter des EuGH u.a. weiter aus:

  • Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs setzt die Einstufung einer nationalen Maßnahme aus "staatliche Beihilfe" i.S. von Art. 107 Abs. 1 AEUV voraus, dass
    1. es sich um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handelt,
    2. die Maßnahme geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen,
    3. dem Begünstigten durch sie ein selektiver Vorteil gewährt wird,
    4. sie den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht (u.a. EuGH, Urteil v. 10.06.2010 - C 140/09 "Fallimento Traghetti del Mediterraneo", Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).
       
  • In Bezug auf den selektiven Vorteil ist zu klären, ob die fragliche nationale Maßnahme im Rahmen einer konkreten rechtlichen Regelung geeignet ist, "bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige" gegenüber anderen Unternehmen oder Produktionszweigen zu begünstigen, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden und somit eine unterschiedliche Behandlung erfahren, die im Wesentlichen als diskriminierend eingestuft werden kann (EuGH, Urteil v. 21.12.2016 - C-20/15 P und C-21/15 P "Kommission/World Duty Free Group u. a.", Rn. 57).
     
  • Die Prüfung des Tatbestandsmerkmals der Selektivität impliziert grundsätzlich in einem ersten Schritt die Bestimmung des Referenzsystems, in das sich die betreffende Maßnahme einfügt. Ihr kommt im Fall von steuerlichen Maßnahmen erhöhte Bedeutung zu, da das tatsächliche Vorliegen einer Vergünstigung nur im Verhältnis zu einer "normalen" Besteuerung festgestellt werden kann (vgl. in diesem Sinne EuGH, Urteile v. 06.09.2006 -C-88/03 "Portugal/Kommission" Rn. 56 und v. 21.12.2016 - C-524/14 P "Kommission/Hansestadt Lübeck", Rn. 55).
     
  • In seinem Urteil hat der EuG fälschlicherweise allein die Regel des Verfalls von Verlusten als Referenzsystem im Sinne der Rechtsprechung zu Art. 107 Abs. 1 AEUV eingestuft und die allgemeine Regel des Verlustvortrags von diesem Referenzsystem ausgenommen.
     
  • Durch den Ausschluss der allgemeinen Regel des Verlustvortrags von dem im vorliegenden Fall maßgebenden Referenzsystem hat das Gericht somit dieses System zu eng definiert.
     
  • Ein Fehler bei der Bestimmung des Referenzsystems, anhand dessen der selektive Charakter einer Maßnahme zu beurteilen ist, führt zwangsläufig dazu, dass die gesamte Prüfung des Tatbestandsmerkmals der Selektivität mit einem Mangel behaftet ist.
     
  • Der EuGH kann vorliegend in der Sache selbst entscheiden: Da der selektive Charakter der streitigen Maßnahme von der Kommission anhand eines fehlerhaft bestimmten Referenzsystems beurteilt wurde, ist der streitgegenständliche Beschluss für nichtig zu erklären. Die Nrn. 2 und 3 des Tenors des Urteils des Gerichts der Europäischen Union v. 04.02.2016 - T-287/11 "Heitkamp BauHolding/Kommission", werden aufgehoben.


​Hinweis:
Zu den Folgen der Entscheidung s. Hackemann in Mössner/Seeger, KStG, § 8c Rn. 78 sowie 635, Stand: 31.01.2018.
Mehr zum Thema in einer der kommenden Ausgaben der NWB.

Quelle: EuGH, Urteil v. 28.06.2018 - C-203/16 P; NWB Datenbank (il)
Foto: wikimedia User Zairon (CC BY-SA 3.0)


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